Paukenschlag – Schwimmerin Juliane Reinhold holt überraschend DM-GoldBerlin. Damit hatte niemand gerechnet, die 16-jährige Leipzigerin am allerwenigsten: Einen Tag nach ihrem vierten Platz über 200 m Lagen stand Juliane Reinhold gestern bei den deutschen Meisterschaften in Berlin plötzlich zum ersten Mal in ihrer Karriere bei den Erwachsenen auf dem obersten Treppchen. Über 400 m Lagen steigerte die SSG-Schwimmerin ihre Bestzeit um vier Sekunden und düpierte die Konkurrenz.
Schmetterling hatte sie als Fünfte eröffnet, auf der Rückenlage schob sie sich auf Platz zwei, um beim Brustschwimmen unwiderstehlich davonzuziehen. Und über 100 m Kraul blieb sie locker und wehrte alle Angriffe ab. „Jule ist schön sauber und ruhig geschwommen. Das Technik-Training der letzten Wochen hat sich im Brust-Abschnitt bezahlt gemacht", so Trainer Oliver Trieb.
Die Familie in Leipzig-Grünau war vollends aus dem Häuschen. „Sonst brüllt ganz Grünau, wenn Deutschland im Fußball ein Tor schießt. Da darf ich auch mal brüllen, wenn meine Tochter deutsche Meisterin wird", sagte Mutter Uta, die das Rennen im Internet live verfolgte. Danach war bei Reinholds eine Stunde lang die Telefonleitung besetzt, die elf Geschwister der Meisterin riefen begeistert an. Vater Hannes konnte es kaum fassen, über den großen Erfolg sofort im Videotext zu lesen.
Für die Mutter war es ein überwältigendes Gefühl und ein Moment der Besinnung: „Es war nicht immer leicht, vor allem mit der Finanzierung ihres Sports. Aber es hat sich alles gelohnt", sagte sie. Vor fünf Jahren war die Familie wegen der Schwimm-Laufbahn der Tochter von Jena nach Leipzig gezogen. 2006 stellte Juliane mit zwölf Jahren ihren ersten deutschen Altersklassenrekord auf, über 100 m Schmetterling entthronte sie damals Franziska van Almsick. Gestern verpasste sie den 21 Jahre alten Rekord der DDR-Schwimmerin Grit Müller um eine Sekunde. Die Fachwelt war erstaunt, mit welcher Cleverness die zweitjüngste Final-Teilnehmerin das Feld beherrschte.
„Das Finale hat einfach nur Spaß gemacht. Es war eine sehr gute Vorbereitung auf die Jugend-EM in Helsinki", sagte Juliane, die sich auf Platz acht der europäischen Jahresbestenliste bei den „Großen" schob. Urplötzlich war sie ein Thema für die EM in Budapest. Doch die Sport-Mittelschülerin freut sich auf die olympischen Jugendspiele in Singapur. Und Bundestrainer Dirk Lange deutete an, dass sich daran nichts ändert: „Ich registriere mit Freude, wie toll sie sich entwickelt. Aber es bleibt sicher dabei." Budapest und Singapur überschneiden sich terminlich, nur einer der beiden Höhepunkte ist möglich. Ihre gute Form stellte die Meisterin auch als SSG-Schluss-Schwimmerin der 4×200-m-Freistilstaffel unter Beweis, die sie vom fünften noch auf den vierten Platz führte.
Während Juliane Reinhold gestern die kräftezehrende Königsdisziplin gewann, geht es heute weiter mit den 50-Meter-Finals. Im Rückensprint zog Lisa Graf (SSG) in 29,39 s als Zweite ins Finale, dabei gewann sie ihre zweite Junioren-Goldmedaille. Stefan Herbst erreichte in 50,31 s als Sechster das Finale über 100 m Freistil.Frank SchoberLVZ2010-07-02
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