Beim Schwimm-Nachwuchs geht’s voranSie haben das gewisse Feeling – das Gefühl fürs Wasser. Und Talent, sagen
ihre Trainer. Sie schwimmen sogar Rekorde, ohne darauf hin zu trainieren.
Die Rede ist von den zwölfjährigen Juliane Reinhold (SC DHfK) und Anna-Marie
Macht vom Postschwimmverein, die am Wochenende zwei deutsche Bestmarken in
ihrer Altersklasse auf zwei Bruststrecken erzielte. Juliane Reinhold hält
bereits seit Sommer die nationale Bestmarke über 100 m Schmetterling.
So zufrieden hat Anne-Katrin Neumann schon lange nicht mehr ihre Schützlinge
an Oliver Trieb, der die nächsten zwei Jahre das Training leitet, abgegeben.
"Die Rekorde haben sich einfach so ergeben", erzählt Neumann: "In diesem
Alter dürfen die Zeiten noch nicht so wichtig sein. Wir haben darauf nicht
hingearbeitet." Stolz sind die Trainer und Sportlerinnen trotzdem –
rekordverdächtig war seit René Kolonko vor zehn Jahren kein Leipziger
Nachwuchs-Schwimmer mehr.
Dabei muss sich Anne-Katrin Neumann seit Jahren mit schwierigen Bedingungen
arrangieren. Die Anforderungen, die an sie und ihre zehn- bis zwölfjährigen
Schützlinge gestellt werden, sind schwer umsetzbar. Immer wieder gibt sie
ihre Schwimmer mit zu großen Defiziten an Oliver Trieb ab. Teilweise
beobachtet Neumann während der Trainingszeit 20 Kinder auf zwei Bahnen. "Um
von jedem die Fehler zu entdecken, gründlich zu analysieren und ihn
weiterzubringen, bräuchte ich drei Bahnen", bedauert die
Stützpunkttrainerin: "Doch die Finanzierung für unsere Wasserfläche ist
schon jahrelang nicht eindeutig geklärt." Immer wieder helfen der
Schwimmverband der Stadt und Sponsoren aus. Zukünftig wird der
Talentestützpunkt auch auf die Hilfe der Vereine und der Eltern angewiesen
sein.
Die Familien spielen als Geldgeber ohnehin eine immer größere Rolle. "Bis
auf die Startgelder müssen die Eltern alle Kosten übernehmen. Das geht so
weit, dass sie auch die Wettkampfübernachtungen der Trainer bezahlen",
erklärt Trieb. Der Einfluss der Eltern hat andererseits zur Folge, dass die
Pläne der Übungsleiter kritisch hinterfragt werden. "Doch in Gesprächen
können wir meistens die Zweifel ausräumen." Das Vertrauen zwischen Eltern,
Lehrern, Trainern und Sportlern sei ein wichtiger Baustein auf dem Weg zum
Erfolg.
Immer wieder stehen die Talente vor anspruchsvollen Herausforderungen. "Die
Schwimmer, die aus den Vereinen zu mir kommen", beschreibt Neumann, "sind zu
Hause die Stars. In unserer Gruppe aber nur eine Nummer unter zwanzig." Das
zu akzeptieren, sei für manche schon ein schwieriger Schritt. Die
langjährige Trainerin begleitete schon mehrere Jahrgänge auf dem Weg vom
Vereins- zum Leistungssport. Fünf Schwimmeinheiten, dazu drei Mal Athletik
und schulische Pflichten unter der Woche sowie Wettkämpfe am Wochenende –
"diesen Rhythmus kann nicht jeder umsetzen. Die Schule ist immer der
wichtigere Teil der Ausbildung", betont Neumann.
Beide Rekordschwimmerinnen schaffen die Belastungen bei immer weniger
Freizeit. "Im Training setzen sie unsere Hinweise gut um", lobt Trieb. Sie
sind vielseitig, können die Lagenstrecken schwimmen. Und sie kommen dem
Leitbild – lang, schmal, geringer Wasserwiderstand – nahe. Ob sie es einmal
zu EM, WM oder Olympia schaffen? Trainerin Neumann weiß es nicht: "Das kann
niemand voraussagen." Die Grundlagen für den langen Weg bis Olympia stimmen
jedenfalls. Deshalb lohnt es sich, die Talente zu fordern und optimal zu
fördern.Felix SchneiderLVZ2006-12-20