Bob-Training macht Schwimmer schnell105-Kilo-Kraftpaket Johannes Dietrich schmettert Europarekord / Bronze für Leipziger Freistil-Quartett Essen.
Gibt es ein Erfolgsgeheimnis, wie man Europarekord schwimmt? Johannes Dietrichs Antwort kommt wie aus der Pistole geschossen: „Man muss 1,83 Meter groß sein, 105 Kilo wiegen, blond sein und blaue Augen haben.“ Größe und Gewicht scheinen so gar nicht zu passen. 2,05 Meter und 83 Kilo würden – leicht übertrieben – wohl eher eine Schwimmer-Statur ergeben. Doch Dietrich, der die Bestmarken über 50 m Schmetterling gestern gleich zweimal auf 22,62 s steigerte und den Weltrekord nur hauchdünn verfehlte, bestätigte prompt die Worte des Bundestrainers Dirk Lange, der zu Beginn der Kurzbahn-DM in Essen sinngemäß gesagt hatte: Egal ob jung oder alt, klein oder groß, dick oder dünn – auf die Leistung kommt es an. Der Wiesbadener Dietrich hat seit seiner verpassten Olympia-Qualifikation Ende April zwölf Kilo zugenommen – aktive Masse wohlgemerkt. „Ich habe den ganzen Sommer mit Bob-Olympiasieger Kevin Kuske trainiert. Da war ich täglich fünf Stunden im Kraftraum, das hat jede Menge Spaß gemacht“, erzählte der 23-Jährige, der beim Einmarsch zu Heavy-Metal-Musik ein Schauspiel abzog, wie man es von den US-amerikanischen Leichtathletik-Sprintern kennt. „Ich brauche eine Grund-Aggressivität, um schnell zu schwimmen“, erklärte der gebürtige Berliner, dem durchaus Chancen eingeräumt wurden, in der Bob-Nationalmannschaft mitzumischen. „Aber ich bin doch mit Leib und Seele Schwimmer.“ Natürlich trug Dietrich einen der modernen Schwimmanzüge, die sehr an das Neoprenmaterial im Triathlon erinnern. „Bei mir“, sagte Brust-Vizemeister Johannes Neumann aus Riesa, „macht so ein Anzug 1,5 Sekunden aus auf 100 Metern. Das ist alles Schmu. Aber was soll ich machen? Ich muss so ein Ding anziehen, wenn ich mich gegen die anderen behaupten und die EM-Norm schaffen will“, meinte der gebürtige Leipziger, der in zwei Wochen bei der EM in Rijeka dabei sein wird. Auch Stefan Herbst schaffte mit Bestzeit die EM-Richtzeit über 50 m Rücken, Platz vier reichte jedoch nicht für ein Ticket. Der Leipziger Team-Kapitän, der die Männer-Freistilstaffel mit Erik Brettschneider, Riccardo Prietzsch und Peter Dittrich ebenfalls auf Platz vier führte, hat über 100 m Lagen und 50 m Freistil zwei weitere EM-Chancen. Im letzten Rennen klappte es gestern doch noch mit einer Medaille für die Startgemeinschaft Leipzig. Die Aufregung war den vier Staffelmädchen anzusehen: Noch nie hatten Juliane Reinhold, Patricia Köhler, Carolin Sperling und Tina Abendroth in einem Frauen-Finale bei Deutschen Meisterschaften gestanden. Und nun ging es gleich um Edelmetall. Am Ende jubelte das Quartett über Bronze. Tina Abendroth konnte die Tränen nicht zurückhalten („Ich hatte Bammel, dass ein Frühstart alles zunichte macht und bin einfach glücklich“) und Patricia Köhler meinte: „Ich habe noch nie so sehr gewollt wie heute.“ Die SSG Leipzig hatte keine Überfliegerin dabei, aber ein sehr junges, ehrgeiziges und ausgeglichenes Team. Es war die erste Leipziger Staffelmedaille seit vielen Jahren. Zu den positiven Aspekten zählte auch, dass die Leutzscherin Lisa Graf gleich in zwei Einzel-Finals stand.Frank SchoberLVZ2008-11-29
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