Der schwere Weg nach London – Leipziger Schwimmer wollen sich auf der Kurzbahn Selbstvertrauen holenDie Aussichten der Leipziger Schwimmer, 2012 bei den Olympischen Spielen in London vertreten zu sein, sind nicht besonders groß. Das wissen die Trainer Eva Herbst und Oliver Trieb ebenso wie die besten SSG-Athleten Lisa Graf, Juliane Reinhold sowie Stefan Herbst und Tony Wiegmann selbst am besten. Doch von Selbstaufgabe ist in der Uni-Schwimmhalle dieser Tage nichts zu spüren. Eine Chance gibt es im Leben immer – und genau diese will das Quartett beim Schopfe packen.
Also wird eifrig trainiert, um schon am Wochenende bei den sächsischen Kurzbahn-Meisterschaften in Riesa und in zwei Wochen bei den nationalen Titelkämpfen auf der 25-m-Bahn in Wuppertal die erste Saisonphase mit einem Erfolgserlebnis abzuschließen. Einen zusätzlichen Hoffnungsschimmer gibt es für die Leipziger Schwimmer nach der verpassten WM in Shanghai: Die Olympia-Normen, die derzeit beim DOSB in Frankfurt zur Bestätigung liegen, fallen aller Voraussicht nach moderater aus als die diesjährigen Knaller-Pflichtzeiten für die WM. Was Eva Herbst nur begrüßt: „Von härteren Normen allein werden die deutschen Schwimmer auch nicht schneller." War für den Flug nach Shanghai Platz elf der Weltbestenliste Voraussetzung (bei den Leichtathleten reichte für Daegu oftmals Rang 20 der Welt), gilt nun für Olympia Rang zehn der WM. Und bei einem Saison-Höhepunkt wird bekanntlich in der Breite nicht das Niveau erreicht wie bei Hunderten Meetings in zwölf Monaten.
Dennoch führt der Weg nach London für die besten sächsischen Schwimmer in erster Linie über die Staffeln. „Die besten Chancen von uns hat Lisa. Vielleicht reicht ja Platz zwei über 100 m. Bei den letzten drei Olympischen Spielen wurden immer zwei Rückenschwimmerinnen für die Staffel mitgenommen", sagt der SSG-Chef Stefan Herbst über Lisa Graf, die in dieser Saison unter anderem mit zwei DSV-Höhentrainingslagern neue Reize setzt. Das erste im September, so Eva Herbst, habe gut angeschlagen. „Außerdem spürt man bei Lisa, dass sie noch bewusster trainiert als früher. Und bisher ist sie auch gesundheitlich stabil. Das war nicht immer so", meint die 60-Jährige, die von 1996 bis 2008 stets mindestens eines ihrer Kinder Sabine und Stefan zu Olympia brachte. Nach einem Motivationstief unmittelbar nach Peking sei sie selbst wieder angriffslustig: „Es ist mal ganz gut, dass es nicht in erster Linie um die eigenen Kinder geht."
Doch auch Sohn Stefan kämpft um seine vierte Olympia-Teilnahme. „Ich weiß, dass ich nochmal Bestzeit schwimmen muss. Wozu es reicht, muss ich dann abwarten." Nach einem Ausflug auf die 50 und 100 m Rücken konzentriert sich der 33-Jährige wieder auf seine Schokoladen-Disziplinen 100 und 200 m Freistil: „Da sind die Chancen größer. Der Wechsel auf Rücken tat aber gut. Jetzt bin ich im Training wieder viel motivierter, Kraul zu schwimmen." Der Sportsoldat sieht sich psychisch im Vorteil: „Der Wille ist groß wie immer. Aber ich muss niemandem mehr etwas beweisen, kann die Sache von daher etwas lockerer angehen." Platz vier oder fünf muss er im Mai belegen. Doch mehr als zehn Kraulspezialisten haben das Zeug dazu, mit Paul Biedermann im Sommer 2012 in den DSV-Staffeln zu schwimmen. Stefan Herbst verzichtet nach reiflicher Überlegung auf das Höhentraining: „Drei Wochen in der Sierra Nevada eingesperrt zu sein, ist für mich kein Reiz. Mich motiviert die Sonne in Lanzarote mehr. Außerdem bin ich nach den meisten Höhenlagern der Vergangenheit krank geworden."
Für die vielseitige Juliane Reinhold (Polizei-Ausbildung) und Brustschwimmer Tony Wiegmann (Bundeswehr-Start) kommt es derzeit darauf an, den Abstand zur Spitze so gering wie möglich zu halten, um in der zweiten Saisonhälfte anzugreifen. Und wenn es für das SSG-Quartett mit Olympia nichts wird? „Das kann passieren", sagt Eva Herbst: „Dann greift hoffentlich nicht das Bestrafungs-System." Vielmehr appelliert sie an die Einsicht der (Sport-)Politik, mehr zu investieren. Eines ist ihr jedoch auch klar: „Wenn es klappt, waren alle beteiligt. Wenn es nicht klappt, waren es die Trainer." Doch so weit ist es noch lange nicht. Jetzt geht es erst einmal auf die Kurzbahn. Und da sah die SSG Leipzig im Vorjahr richtig gut aus.Frank SchoberLVZ2011-11-10
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