„Man bekommt nichts geschenkt“ – Sieben Medaillen für SSG-Schwimmer bei der DM in BerlinFünf Mal Silber und zwei Mal Bronze errangen die Leipziger SSG-Schwimmer bei den deutschen Meisterschaften in Berlin. Am knappsten verpasste USA-Student Hannes Heyl eine Normzeit für die Welttitelkämpfe in Shanghai. Das Ticket zur Junioren-EM in Belgrad sicherte sich Kraulspezialist Tobias Horn. Dennoch hielten sich Freude und Ärger die Waage.
Im allerletzten Finale gestern um 16.35 Uhr wollte Hannes Heyl nach Silber über 50 Meter Schmetterling noch eins draufsetzen. Er gehörte über 100 Meter lange zum Spitzentrio, doch die Sensation gelang dem 24-Jährigen nicht ganz. Auf den letzten Metern wurden die Arme schwer, am Ende fehlten neun Hundertstel zu Bronze.
Auch Altmeister Stefan Herbst ist an seine Grenzen gestoßen. Der 33-jährige SSG-Chef-Schwimmer führte zwar die Lagenstaffel zu Silber, schaffte aber in den Einzelstrecken nur die Plätze drei, vier und zehn und verpasste das WM-Ticket für die 4×100-m-Freistilstaffel um eine Sekunde.
Über 100 m Rücken war er nach 80 Metern am Ende seiner Kräfte. Zwar wiederholte er in etwa seine Zeiten des Vorjahres. Doch das Niveau ist ein Jahr vor London deutlich angezogen, die ohnehin schon schwere vierte Olympiateilnahme ist für den Sportsoldaten momentan scheinbar unerreichbar. „So ist der Leistungssport, man bekommt nichts geschenkt“, sagte Herbst. Seit zwei Monaten trainiert er nach einem Sprint-Konzept. Dieses komme nun noch einmal auf den Prüfstand.
Zwei Silbermedaillen, und doch Tränen der Enttäuschung: So stellte sich gestern die Situation für Lisa Graf dar. Die Sportgymnasiastin schlug über 100 und 200 m Rücken jeweils deutlich als Zweite an, verpasste aber jeweils auch klar ihre Bestzeiten: „Es ist krass, dass man mit durchschnittlichen Zeiten in Deutschland Zweiter wird. Für mich ist traurig, dass ich hier langsamer geschwommen bin als im März. Irgendwas ist schiefgelaufen in der Vorbereitung – nur was?“, fragte sich die 18-Jährige, die am Sonnabend extra die Lagenstaffel weggelassen hatte, um tags darauf im Einzel zu glänzen. Doch auf ihrer Spezialstrecke 100 m Rücken fehlten zwei Sekunden zu Gold und damit zum Sprung in die WM-Lagenstaffel.
Freude pur dagegen herrschte bei Tony Wiegmann: Der 20 Jahre alte Spätstarter war im Vorjahr nach seiner ersten Jahrgangs-Medaille überwältigt, diese glänzte sogar golden. Und nun steigerte sich der 200-m-Brust-Spezialist erneut um sagenhafte drei Sekunden und errang sogar Silber bei den Männern. Zunächst freute er sich innerlich: „Aber heute Abend flippe ich aus. Ich bin total happy, bin froh, dass ich die Bestzeit aus dem Vorlauf bestätigen konnte.“ Denn die Schwimmwoche in Berlin kostete Kraft, zumal der Schwimmmeister der Sportbäder GmbH als Amateur wesentlich weniger trainiert als die Sportsoldaten, Studenten und Sportschüler.
„Nach dem Vorlauf war ich völlig sprachlos, konnte weder lachen noch weinen vor Glück.“ Vor dem Finale hatte er ein wenig Angst, dass nicht nur die Kraft fehlt, sondern auch die Renneinteilung schiefgeht. „Ich habe heut früh noch eine SMS von meinem Mental-Coach bekommen. Er meinte, ich soll mich in den Arm kneifen und alle Negativ-Gedanken beiseite schieben.“ Mit seiner roten Signal-Badekappe stellte er aber alle Signale auf Silber. Nun würde er gern in den kommenden Monaten professioneller trainieren, Gespräche mit dem Arbeitgeber stehen an.
Männer-Lagenstaffel, Silber: Stefan Herbst, Michel Ullrich, Hannes Heyl, Tobias Horn. Junioren-Medaillen, Gold: Philipp Sikatzki (100 R), Silber: Tobias Horn (200 F), Marius Schäffner (100 R), Bronze: Marie Pietruschka (200 B)Frank SchoberLVZ2011-06-06
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