Mehr als das Dreifache Gehalt – Schwimmtrainer Oliver Trieb wechselt in die Schweiz / EM-Starterin Lisa Graf meldet sich nach Berlin abWährend der Olympischen Spiele wurde die fehlende gesellschaftliche Anerkennung und schlechte Bezahlung der Trainer bundesweit diskutiert. Ein Beispiel aus Leipzig zeigt, dass auch in Zukunft große Erfolge hiesiger Athleten immer schwerer zu erringen sein werden. Mit Oliver Trieb wechselt ein erfahrener und erfolgreicher Schwimmtrainer ab 1. Januar in die Schweiz. Der 44-Jährige hat in den vergangenen 14 Jahren neun Leipziger Schwimmer zu Europäischen Jugendspielen, Junioren-Europameisterschaften und Olympischen Jugendspielen geführt – die meisten kehrten mit Medaillen zurück. Er ist der fünfte Trainer in einem Jahr, der dem sächsischen Schwimmsport verloren geht.
„In der Schweiz verdiene ich mehr als das Dreifache", berichtet der gebürtige Berliner. In Sachsen haderte er nicht nur mit dem geringen Gehalt für die größtenteils Sieben-Tage-Woche inklusive Trainingslager und Wettkämpfe. Dies hätte er wohl auch noch eine Weile akzeptiert, „solange die Arbeit Spaß macht und ich unterstützt werde". Doch die Freude wurde ihm zuletzt genommen, weil er mit einem anderen typischen Problem des deutschen Sports zu kämpfen hatte: Zunehmend redeten ihm ehrenamtliche Funktionäre in die Arbeit hinein – bis hin zur Trainingsgruppen-Zusammensetzung am Stützpunkt. Als er sich gegen eine Versetzung nach Dresden wehrte, kam es zum endgültigen Bruch mit seinem Arbeitgeber, dem Landesverband.
Beim Schwimm-Team Biel in der Schweiz sieht Trieb nach ersten Gesprächen einen weiteren großen Vorteil: „Dort wird mir die Organisation und Buchung der Trainingslager und Fahrten komplett abgenommen." In Leipzig habe der Papier-Kram viel Kraft gekostet, die ihm bei seiner eigentlichen Stärke, der Arbeit mit den Sportlern am Beckenrand, womöglich fehlte. „Das positive Feedback meiner Sportler und ihrer Eltern hat gezeigt, dass ich auf dem richtigen Weg war", so der Coach. Dass sein Schützling Juliane Reinhold ihrem Trainer ab Januar in die Schweiz folgt, ist nicht ausgeschlossen. „Er ist für mich d e r Trainer überhaupt. Ich würde mich immer für ihn entscheiden, wenn ich die Wahl habe", sagte die 18-Jährige.
Trieb hat kein Problem damit, dass nun ein neuer Stützpunkttrainer berufen wurde, zumal die Leipziger Schwimmer in London erstmals seit 1992 fehlten. Doch Trieb stört, dass Funktionäre während des alten Olympiazyklus gegen ihn arbeiteten. Und zwar so, dass dies auch den Sportlern nicht verborgen blieb. Dies kritisiert auch Uwe Bodusch, Vorsitzender des Postschwimmvereins: „Leider konnte er sich nie richtig entfalten, da ihm immer wieder Steine von Seiten der Funktionäre in den Weg gelegt wurden." Sogar Wolfram Sperling, der als Präsident des Landesverbandes die Kündigung aussprach, lobt den Coach: „Er ist ein guter Trainer. Seine Stärken liegen im technisch-koordinativen Bereich und in der Motivation der Sportler." Doch Sperling gilt als durchsetzungsschwach, die Strippen zogen andere im Hintergrund.
Da auch Triebs Kollegin Eva Herbst Ende Dezember ausscheidet, stehen die Zeichen auf Neuanfang: Das Amt des Stützpunkttrainers übernimmt Dirk Franke, der vom Flossenschwimmen zu den Klassikern wechselt. Er fängt mit Nachwuchsschwimmern von vorn an. Die diesjährige EM-Teilnehmerin Lisa Graf hat sich wie Brustspezialist Tony Wiegmann nach Berlin abgemeldet, wo Trainer-Urgestein Norbert Warnatzsch vor wenigen Tagen seinen Rücktritt vom Rücktritt erklärt hat. Der dreifache Olympiateilnehmer Stefan Herbst hat seine leistungssportliche Karriere beendet und beginnt am Montag ein Sportstudium in München. „Es dauert mindestens fünf Jahre, ehe Leipzig wieder an die deutsche Spitze kommt – wenn überhaupt", meint Eva Herbst. Das sind nicht die besten Aussichten.Frank SchoberLVZ2012-09-26
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