Weiter Weg an die Weltspitze – Neuer Stützpunkttrainer der Leipziger Schwimmer setzt auf Zusammenarbeit und einen langen Atem aller BeteiligtenOb die Leipziger Schwimmer die Talsohle nach der olympischen Abstinenz und einigen Abgängen schon durchschritten haben, sei dahingestellt. Zumindest weht seit Montag ein neuer Wind in der Uni-Halle: Denn am 1. Oktober hat Dirk Franke den Posten des Bundesstützpunkttrainers übernommen.
Die Olympischen Spiele, bei denen sich die DSV-Aktiven nicht mit Ruhm bekleckerten, hat der bisherige Landestrainer der sächsischen Flossenschwimmer genau verfolgt. Ein Interview mit dem designierten Bundestrainer Henning Lambertz ist dem gebürtigen Thüringer besonders in Erinnerung. Die Worte des Esseners nimmt der 43-Jährige als Leitmotiv für seine neue Aufgabe: „Wir trainieren zu wenig, wir trainieren zu wenig intensiv, wir zentralisieren zu wenig."
Mit der Belastungssteigerung ist das so eine Sache. Oftmals, wenn Frankes Vorgänger die Zügel anzogen, spielte das Immunsystem vieler Schwimmer nicht mit, fielen sie mit Infekten aus. Ein Umstand, der gern als Grund angegeben wird, warum Schwimmer in Florida oder Kalifornien den Europäern überlegen sind. Doch Dirk Franke ist davon überzeugt, dass der Körper sich an das härtere Training gewöhnen kann. Als Flossentrainer hatte er jahrelang mit überlasteten Fußgelenken seiner Athleten zu tun. Derartige (teils chronische) Schmerzen würden nun ins Schultergelenk verlagert, wie er nach wenigen Tagen erfahren musste. Daher will der Coach die besten Sportmediziner und Physiotherapeuten für die Schwimmer gewinnen. „Denn wer schnell schwimmen will, muss viel schwimmen."
Franke weiß, dass alleine mit Leipziger Talenten der Weg zurück in die Weltspitze nahezu unmöglich ist. Daher nimmt er seine Aufgabe ernst, die besten Schwimmer aus Chemnitz, Dresden, Plauen oder Riesa am Bundesstützpunkt Leipzig zu integrieren. Ein Anliegen, das nicht neu ist, in der Vergangenheit aber nur sporadisch funktionierte. Apropos: Die Vergangenheit beschäftigt den neuen Coach nicht. Er hat die Uhren auf null gestellt, ermuntert alle Trainer und Vereine zur Zusammenarbeit. Dies ist sicher auch die einzige Chance des Leipziger Schwimmsports, der in der Vergangenheit trotz Gründung der Startgemeinschaft SSG mit zahlreichen Querelen aufwartete. Franke stellt indes nicht alles auf den Kopf. So arbeitet er wie seine Vorgänger Eva Herbst und Oliver Trieb mit Athletiktrainer Hagen Pietrek zusammen. Er hält viel von dem früheren Schwimmer mit reichlich Basketball-Erfahrung.
Die Personalie Franke wurde in den Augen vieler Beobachter sehr spät, nämlich erst im Sommer entschieden. Da hatten die mehrfachen DM-Medaillengewinner Lisa Graf oder Tony Wiegmann schon beschlossen, nach Berlin abzuwandern. Neue Leistungsträger sind neben Juliane Reinhold die Nachwuchs-Asse Philipp Sikatzki und Tommi Wolst. Die angehende Landespolizistin Jule Reinhold hat sich bereits für den Verbleib in der SSG Leipzig entschieden, hält sich aber die Option offen, im Januar ihrem Trainer Oliver Trieb in die Schweiz zu folgen.
Der damalige Flossen-Coach Franke war 2009 Sachsens Trainer des Jahres. Er besitzt eine Lobby beim Landessportbund, aber auch am Sportgymnasium, beim IAT und Olympiastützpunkt (OSP). Daher wurde seinem Wunsch entsprochen, dass der OSP wie bei Trainern anderer Sportarten sein Arbeitgeber wird. Noch vor wenigen Jahren lehnte OSP-Chef Winfried Nowack die Anstellung von Schwimmtrainern ab, da die Querelen überhandnahmen und er sich mehrfach vor dem Arbeitsgericht wiederfand.
Für kurzfristigen Erfolg steht Franke sicher nicht. Dazu hätte ein Trainer kommen müssen, der drei, vier Leistungsträger mitbringt. Olympia 2016 scheint im Moment für Leipzigs Schwimmer sehr weit weg, 2020 müsse aber das Ziel sein, so der Coach. Zur Erinnerung: Idriss Gonschinska übernahm 1998 die am Boden liegende Leipziger Leichtathletik. Danach dauerte es 14 Jahre, ehe nun in London mit fünf Olympiateilnehmern in größerem Stil Früchte geerntet wurden. Sollten die Schwimmer ähnliches in nur acht Jahren packen, wäre dies schon ein großer Erfolg. Vorausgesetzt, die guten Bedingungen in der Uni-Halle bleiben erhalten und Bund, Land, Kommune sowie Sponsoren lassen die Schwimmer nicht im Regen stehen.Frank SchoberLVZ2012-10-05